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veranstaltung
Von05.10.2017
Bis08.10.2017
OrtSarajevo, Bosnien-Herzegowina
VonVedad Smailagić
Beschreibung

Wenn wir von einem Kulturbegriff ausgehen, der Kultur als Gesamtheit der geistigen, künstlerischen wie gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft auffasst und als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung versteht, können wir in jedem sprachlichen Produkt einen Ausdruck dieser Höherentwicklung sehen und somit ein Produkt der kulturellen Tätigkeit des Menschen – ein Artefakt. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine inzwischen fast selbstständige wissenschaftliche Disziplin etabliert, die Kulturwissenschaft, die sich zum Ziel stellt, alle Produkte menschlicher Tätigkeit unter einem kulturellen Aspekt zu erforschen, mit der Absicht, Erkenntnisse über die Kultur als solche im Gegensatz zur Natur, oder auch über einzelne Kulturen im Unterschied zu anderen Kulturen zu gewinnen. Tatsächlich verstehen sich heute viele Literaturwissenschaftler gleichzeitig auch als Kulturwissenschaftler und die Sprachwissenschaftler öffnen sich immer mehr für eine kulturanalytische Sprachwissenschaft.

Die „Spuren“ der Kultur befinden sich in ganz unterschiedlichen kreativen Tätigkeiten des Menschen: Architektur, Küche, Kunst aber auch Sprache. In der Sprache wird besonders das Lexikon, im Gegensatz z.B. zur Grammatik als ein Hort der Kultur verstanden. Doch erst der Sprachgebrauch als menschliches Verhalten an sich und als Tätigkeit zur Erzeugung von sprachlichen Produkten (Texte, Textsorten, Diskurse) ermöglicht die weiteren und tieferen Einsichten in die Kultur als solche oder kulturvergleichende Einsichten in eine Kultur im Gegensatz zu einer anderen. Texte sind die primären Objekte aller philologischen Untersuchungen, sowohl literaturwissenschaftlicher als auch sprachwissenschaftlicher. Unterschiedliche Wissenschaften wie Theologie, Rechtswissenschaft oder Geschichtswissenschaft arbeiten mit Texten, versuchen sie zu deuten und für sich nutzbar zu machen – zumeist tun die dies, ohne sich philologischer Mittel zu bedienen. Daher ist die Aufgabe der Philologie, mit ihren Mitteln zur kulturwissenschaftlichen Texthermeneutik beizutragen.

Das Ziel dieser Tagung ist es, zu zeigen, wie die Philologie (Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft) einerseits als Kulturwissenschaft tätig werden kann und anderseits zu zeigen, wie die Philologie als Kulturwissenschaft im interkulturellen Kontext ihren Beitrag leistet. Es soll überlegt werden, wie man mit philologischen Untersuchungen Erkenntnisse über die Kultur als solche bzw. über kulturelle Unterschiede gewinnen kann und welchen Wert solche Erkenntnis in der Philologie hat. Der Begriff der interkulturellen Philologie soll als ein Unterbegriff der kulturanalytischen Philologie verstanden werden, bei dem im Rahmen einer kulturuntersuchenden und –beschreibenden Wissenschaft eine vergleichende Kulturwissenschaft betrieben wird mit dem Ziel, die kulturrelevanten Merkmale einer Gesellschaft, sei es im diachronischen sei es im synchronischen Sinne, eindeutig zu identifizieren. Die Kultur kann hier sowohl im Unterschied zur Natur als auch als eine Kultur im Unterschied zu einer anderen verstanden werden.

Im Programm wären noch einige Plätze frei. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an vedad.smailagic@bih.net.ba.

Teilnehmerinnen / Teilnehmer Universität Vorläufige Themen
Altmayer, Claus Leipzig Was leistet der Begriff 'Deutungsmuster' für die Kulturanalyse im Kontext des Faches Deutsch als Fremdsprache

Pragmata der Gewalt in der Vormoderne. Formen - Konzepte - Praktiken

veranstaltung
Von12.02.2015
Bis14.02.2014
OrtUniversität Vechta
VonJochen A. Bär
Beschreibung

Gewalt bestimmt die moderne Welt ebenso, wie sie alle menschlichen Kulturen auf die unterschiedlichste Art und Weise geprägt hat. In vormodernen Gesellschaften gilt Gewalt als zentrales Element der Machtausübung, als strategisch eingesetztes Mittel innerhalb bestimmter sozialer Ordnungen. Die Aufrecht­erhaltung einer solchen sozialen Ordnung bedarf jedoch wiederum der Gewalt. Gewaltreduk­tion kommt also nicht ohne Gewalt oder zumindest ihre Androhung aus. Allerdings ergibt sich daraus eine spezifizierte Form der Gewaltanwendung, indem zwischen der durch die soziale Ordnung erlaubten und der unerlaubten Gewalt unterschieden wird.Sie begegnet zum einen in Gestalt der potestas, also der Durchsetzung von Macht und Herrschaft, und zum andern in Form individueller Gewaltanwendung (violentia). Während es sich bei der potestas um eine an Recht und Herrschaft geknüpfte und somit sozial lizenzierte Form der Gewalt handelte, stand die violentia in der Regel im Widerspruch zum Recht, war also eine illegitime Form der Gewaltanwendung.

Der Gewaltbegriff kann weit oder auch relativ eng gefasst werden. Während sich die engere Definition vor allem auf die körperliche Gewalt bezieht, nimmt ein eher weiter ausgelegtes Verständnis auch andere Formen der Beeinträchtigung in den Blick: so die Zerstörung der materiellen Lebensbasis oder die Schädigung der sozialen Existenz durch Beleidigung oder sprachliche Diskriminierung. Sprachliche Gewalt spielt neben der körperlichen Gewaltpraxis, die bis hin zur Tötung reichen kann, stets eine zentrale Rolle – insbesondere dann, wenn man die Perspektive der historischen Beschreibung mitreflektiert. Jede gesellschaftliche Interaktion beruht auf kulturspezifischem Wissen, das in der Regel sprachlich verfasst oder mitverfasst ist: in semantischen Konzepten, Theoremen, Ideologemen, kollektiven Einstellungen usw. Soziale, politische, rechtliche, wirtschaftliche Handlungs­muster (Pragmata) erscheinen unter diesem Aspekt nicht lediglich als dasjenige, was Menschen tun, sondern als dasjenige, was sie zu tun meinen, beabsichtigen, wie sie ihr Tun begreifen.

Aufgrund seiner zentralen Bedeutung hat das Thema Gewalt in den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen breites Interesse gefunden – in den Sozial- wie in den Literatur-, Sprach-, Geschichts-, und Kulturwissenschaften. Ebenso ist Gewalt ein Thema der Rechtsgeschichte, und auch anthropologische Studien haben sich mit den praktischen Auswirkungen der Gewalt auseinandergesetzt.

Die geplante Tagung in Vechta, die sich mit Pragmata der Gewalt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit (bis einschließlich 16. Jahrhundert) beschäftigen will, hat das Ziel, die Fragestellungen und Erkenntnisse verschiedener Disziplinen füreinander fruchtbar zu machen. Mögliche Themenkomplexe – potentiell in Verbindung miteinander – sind:

  • Formen und Funktionen von Gewalt in Politik, Recht, Religion, Wirtschaft, Alltag …
  • Sprachliche Gewalt (Beschimpfung, Bedrohung, Ausgrenzung …)
  • semantische Konzepte und Bewertungen von Gewalt
  • Darstellungen von Gewalt in der Literatur
veranstaltungshinweise/20210622191515.1624382115.txt.gz · Last modified: 2021/06/22 19:15 by stefan.bircher@uzh.ch